Freitag, 17. Januar 2014

Warum Thermostaten interessant sind ....

oder: Warum gibt google mehr als 3 Milliarden Dollar für einen Hersteller von Thermostaten aus ?

Glaubt man etwa der FAZ, dann „scheint [Nest Labs] zwar auf Thermostate und Feuermelder fokussiert zu sein, aber es ist nicht abwegig, dass Google diese Technologie mit der Zeit auf andere Geräte überträgt“, denn „Die Automatisierung von Haushalten ist eine der größten Geschäftsmöglichkeiten, wenn man vom allgegenwärtigen Internet redet, das alles verbinden wird.“

Das klingt ja alles nett, aber die Hausautomatisierung wurde schon vor fünf Jahren als die kommende Technologie gepriesen, die dem Internet der Dinge zum Durchbruch verhelfen würde. Wer erinnert sich noch an den intelligenten Kühlschrank, der automatisch Milch nachbestellt oder Rezepte vorschlägt ?

Blödsinn !

Es geht (google) nicht darum, zu erkennen, ob jemandem der Toast anbrennt, oder welche Lieblingstemperatur der Durchschittsamerikaner im Wohnzimmer hat. Worum es wirklich geht, wird klar, wenn man sich die Daten eines Temperatursensors mal genauer anschaut. Solche Sensoren setzt man etwa im industriellen Umfeld zur Optimierung der Produktionsabläufe ein. Die Abbildung zeigt Daten, die solche Sensoren in meinem Büro über ein paar Tage aufgenommen haben (hier zwei, einer neben meinem Schreibtisch - rot und einer auf dem Besuchertisch - grün). Auf der Zeitachse entsprechen die größeren Striche jeweils einem Tag, die kleineren jeweils 6 Stunden.



Von links nach rechts erkennt man zunächst einen ganz normalen Arbeitstag: Ich komme gegen 8 Uhr ins Büro, die Temperatur steigt schnell an. Im Lauf des Vormittags geht immer mal wieder die Tür auf und zu, kurz vor Mittag gehe ich schnell ein Brötchen holen (die Temperatur fällt kurz ab), dann mache ich die Tür zu, um in Ruhe zu essen (die Temperatur steigt an), dann mache ich wieder auf, falls Studenten zu mir wollen, Temperatur fällt und schwankt dann ein bisschen, wenn jemand vorbeiläuft. Gegen 16 Uhr  ein kurzer Gipfel wegen hektischer Bewegung beim Aufbruch, dann Feierabend: Die Temperatur fällt langsam wieder ab. Gegen 18 Uhr kommt die Putzfrau, kurze Schwankung.

Am nächsten Tag ein interessanteres Bild: Am späten Vormittag bin ich kurz in einer Besprechung, der Temperaturanstieg hat eine leichte "Delle", kurz vor Mittag kriege ich Besuch. Der sitzt am Gästetisch, dort (grüne Kurve) steigt die Temperatur plötzlich an. Danach gehe ich in Ruhe essen, bin gut anderthalb Stunden weg. Gegen 17 Uhr Feierabend, etwas später dann wieder die Putzfrau.

Am Samstag ist niemand da, am Sonntag vormittag komme ich kurz vor neun ins Büro um in Ruhe zu arbeiten. Man sieht (bis auf die kleine Schwankung gegen halb elf, da war ich auf der Toilette) einen ruhigen, ungestörten Vormittag. Gegen Mittag dann Feierabend.

Man sieht: Nichts, was man mit einer Überwachungskamera nicht auch sehen könnte. Aber deren Daten wären viel schwieriger auszuwerten. Und ausserdem wäre eine Kamera zumindest in Deutschland verboten. Aber einen Thermostaten braucht man halt ....

Kombiniert man das mit ein paar anderen Daten (vielleicht noch die Helligkeit, braucht man zur Steuerung der Jalousie, Stromverbrauch) und ein paar Informationen aus dem Internet (welche Website besuche ich grade, wonach suche ich denn so) kann man die Bewegungs- und Kommunikationsdaten, die man aus dem GPS-Empfänger und den Mobilfunk-Verbindungsdaten hat, schön anreichern.

Mit einem Thermostaten kann man den Teil des (Privat-) Lebens untersuchen, den man mit anderen (legalen) Mitteln nicht sieht. Und man sieht schon im Büro ziemlich viel ....